Aber nochmals von vorn, Roman, warum hast du dich im Jahr 2014 fürs Lyceum entschieden?
“Da war zuerst eine Entsorgungsdebatte, dann kam ein Trampolin ins Spiel und schliesslich war ich immer gerne auf dem Eisfeld am Lyceum.» meint er und schildert, dass sein erster Kontakt zum Lyceum als Nachbar entstanden ist, als er sich über die Entsorgung von Pausenüberbleibseln in seinem Vorgarten beschwerte und postwendend eine Einladung zum Gespräch mit allen Internatsleitenden erhielt. «Ich fand das Klasse, mein Anliegen wurde ernst genommen und ich wurde gleich zu einer Sitzung eingeladen, so dass wir im Gespräch eine gute Lösung fanden. Motiviert haben mich letztlich der breite Aufgabenbereich, das internationale Umfeld und vor allem auch die lange Tradition der Schule.»
Was sind die Höhepunkte der 10 Jahre?
Ich durfte durchgehend steten Wandel erleben und gleichzeitig steht das Lyceum Alpinum auf sehr starkem Fundament. Seit 120 Jahren herrscht hier tatsächlich ein Spirit of Zuoz, eine sehr starke Gemeinschaft mit vielen engagierten Gruppen, vom Verwaltungsrat über die Schulleitung bis hin in die einzelnen Teams und vor allem unter den Schülerinnen und Schülern. Ich durfte an grossen Bau- und Erweiterungsprojekten mitwirken, bspw. dem Bau der Chesa Urezza, den Renovationen des Empfangsbereichs und der Übernahme des Betriebs und der Liegenschaft Convict. Auch haben wir den Energieverbrauch deutlich senken können und heizen den ganzen Campus mittlerweile CO2-neutral. Und schliesslich war die Einführung des ECA-Programms mit den vielen ausserschulischen Angebote für alle Schülerinnen und Schüler ein Höhepunkt. Eine tolle und hochqualitative Entwicklung für die Gemeinschaft, die ich unterstützen durfte.
Steter Wandel heisst aber auch, dass sich Teams immer wieder neu zusammensetzen und finden müssen. Wie hast du das erlebt und gemanagt?
Hier kommt das Eisfeld wieder ins Spiel. Es gibt Parallelen zum Sport. Man muss schnell seine Rolle und Aufgabe finden, ein Team ist nur so gut wie die einzelnen Spieler bereit sind, zusammen und fair zu spielen. Wie auf dem Eis gibt es im Job die überraschenden Wendungen, teils tolle, gute Wechsel, manchmal herausfordernde Situationen, teils geht es nur darum, wie gut ein Knowhow-Transfer gelingt oder einfach darum, im richtigen Moment am richtigen Ort anzupacken und immer wieder über den eigenen Tellerrand zu schauen. Die richtige Portion Demut hilft, offen zu sein, sich richtig einzuordnen und nicht zu schnell zu viel zu wollen. Auch in hitzigen und dynamischen Situationen habe ich gelernt, abgeklärt und mit Bedacht vorzugehen.
Wie und wo lebst und erlebst du Fairplay am Lyceum?
Das erlebt man täglich am Lyceum und ich versuche, es auch vorzuleben. Fairplay bedeutet für mich, eine Art Berechenbarkeit fürs Gegenüber darzustellen, es geht um Zuverlässigkeit und Integrität. Es ist ein faires Spiel, wenn ich signalisiere, was ich bieten kann, meine Aufgabe und meine Grenzen kenne und akzeptiere. Der Leiter Finanzen und Dienste ist ein Defensivstürmer, der eher nach hinten absichert, aber wenn sich die Gelegenheit bietet, auch mal offensiv auftritt und Tore schiesst. Das Aufgabenprofil, die Funktion, lassen sich auch gut umschreiben mit «Enabler». Teil meiner Verantwortung ist sicherzustellen, dass alle Kolleginnen und Kollegen ihre Aufgaben in guter Qualität und effizient erfüllen können. Und Fairplay im Dienstebereich heisst für mich persönlich auch, im Hintergrund und ohne Starallüren oftmals unsichtbare Unterstützungsaufgaben zu leisten, das Fundament für viele Abläufe zu garantieren.
Was ist der Spirit of Zuoz für Dich?
Ich umschreibe das mit den Worten Weltoffenheit, Gemeinschaftsgefühl, liberal und kritisch denken zu dürfen. Denn egal wie viel Geld, welche Kultur oder Hintergründe in unserer Gemeinschaft bestehen, es geht im Spirit of Zuoz um Toleranz. Die Basis ist das, was uns verbindet, das gemeinsam Erlebte. Egal in welcher Rolle, egal welche Sprache, egal welche Herkunft, jung oder alt, in den Häusern oder draussen auf dem Sportplatz. Es sind gemeinsame Erinnerungen und Momente, die ich mit der Gemeinschaft teile, selbstverständlich gute wie schlechte. Das ist für mich der Spirit of Zuoz. Es gibt viele Mitarbeitende, die seit 20 oder 30 Jahren hier arbeiten oder auch immer wieder Treffen von Ehemaligen, da empfinde ich Demut und bin dankbar, ein Teil davon sein zu dürfen.
Was ist dein Lieblingsort am Lyceum und warum?
Das ist die Reception, und zwar vorne am Schalter, mit dem Team. Da gehöre ich hin. Mmmh, aber natürlich bin auch gerne in der Küche, in der Schreinerei oder im IT-Office. Es ist die Zusammenarbeit mit meinen Teams, der gemeinsame tägliche Einsatz für unsere Schülerinnen und Schüler, das gefällt mir.
Was gefällt dir am besten an deiner Aufgabe?
Die Vielseitigkeit und die sich ständig ändernden Herausforderungen. Manchmal treffen Extreme aufeinander. Ich bin am gleichen Tag in einer VR-Sitzung, arbeite an einem IT-Konzept, muss auf die Baustelle und helfe einem Mitarbeiter, ein privates Problem zu lösen. Diese Dynamik gefällt mir auch mental. Ein Job am Lyceum ist nicht einfach irgendein Job im Tal. Das Lyceum ist für mich, mit den vielen Jugendlichen, mit dem Ausbildungsauftrag und der starken Zukunftsorientierung auch eine Art «Kraftort».
Etwas, was du beim Stellenantritt nicht erwartet hättest?
Ich hätte nicht gedacht, dass ich vom Lyceum so rasch mit Haut und Haar eingenommen werde. Und dass ich in so kurzer Zeit so viel Verantwortung übernehmen konnte und musste. Und ganz praktisch fand ich 2014 einen fest installierten PC vor, kein Laptop, kein Smartphone. Das grosse Digitalisierungspotenzial hat mich überrascht und mich auch animiert, meine Ideen und Erfahrungen einzubringen. Und natürlich war ich sehr von der unglaublich offenen und toleranten Gemeinschaft überrascht, insbesondere die starke Verbundenheit von Ehemaligen mit dem Tal und mit der Schule, die Identifikation der Mitarbeitenden mit dem Lyceum. Das ist kulturell, politisch und für die Schülerinnen und Schüler mit viel positiver Energie behaftet und ermöglicht eine ideale Lernumgebung.
Gibt es Anekdoten, die du später deinen Enkelkindern erzählst?
Na klar, es gibt einige. Z.B. die mit den 10 Schülern, die sich spätabends alle zusammen in den Grosshaus-Lift gedrängt haben und prompt fast 45 Minuten im Lift eingesperrt stecken geblieben sind. Oder der Erdrutsch auf den Urezza-Platz wegen des Leitungsbruchs bei uns, der dem Campus mit den über 150 Summer-Camp-Kids und dem halben Dorf das Trinkwasser abgestellt hat. Ich werde auch die Kreativität von Mitarbeitenden nicht so schnell vergessen, wenn aus dem Verlust eines Schlüsselbundes ein «temporary misplaced keys» wurde oder wie wir Covid19-Schnelltests für die gesamte Schulgemeinschaft, notabene als erste Organisation mit nur halber Bewilligung vom Kanton, organisiert haben. In Erinnerung bleibt mir auch die von einem Anwalt einer Familie angedrohte, persönliche Strafanzeige mit über 10 Anklagepunkten nach einem Schulausschluss.
Was wirst du vermissen?
Sicher das Dessertbuffet! (lachend). Spass beiseite. Die Zusammenarbeit mit den vielen Kolleginnen und Kollegen, den täglichen Austausch über Themen der Arbeit und darüber hinaus, das gemeinsame Weiterentwickeln der Schule, das Spüren der Zukunftsenergie der fast 400 jungen Menschen auf dem Campus, die Breite und Vielseitigkeit der Aufgaben, die tagtäglich auf meinem Tisch landen. Und vermutlich werde ich noch einige Zeit jeden Abend zuhause aus dem Fenster schauen und kontrollieren, ob auch alle Scheinwerfer auf den Sportplätzen abgelöscht wurden.
Was nimmst du mit an Erfahrung für deinen nächsten Karriereschritt?
Zuhören ist wichtig. Sich selbst nicht zu wichtig nehmen, Aufgaben und Ziele im Blick behalten, konsequent sein. Es braucht einen Plan, den alle kennen, sonst geht es nicht. Umsichtig sein, «luege & Lose», verantwortlich handeln, übernehmen von Verantwortung und ganz wichtig, es geht nur im Team.
Was kann das Lyceum Alpinum als Arbeitgeber besser als andere?
Das Lyceum ist, ob wir wollen oder nicht, ein bisschen eine «Bubble» hier oben am Berg, aber im positiven Sinn. D.h. wir schauen zueinander, wir helfen den Mitarbeitenden und insbesondere auch den neuen Schülerinnen und Schülern immer wieder, sich an der Schule, im Dorf, im Tal zurecht zu finden und wohlzufühlen. Als Arbeitgeber gewähren wir in gewissen Bereichen viel Autonomie und Entscheidungsspielraum, ermöglichen das Lernen und Entwickeln von Fähigkeiten, geben die Chance, immer wieder Verantwortung zu übernehmen für Projekte und Aufgabenbereiche. Auch rein materiell sind wir ein toller Arbeitgeber, von der Pensionskasse über Sozialzulagen, nicht zu vergessen der gratis Kaffee, die Znüni-Pause, die Mitarbeiteranlässe und die sicheren und attraktiven Ganzjahres-Arbeitsstellen.
Wenn alles gut ist, warum verlässt du das Lyceum nach 10 Jahren?
Ich bin mit dem Lyceum und dieser Dynamik auch selbst 10 Jahre älter geworden und möchte Platz machen für neue Impulse. Und ich bin motiviert, die Chance zu nutzen, wieder eine neue Organisation und eine neue Branche kennen zu lernen, eine weitere Herausforderung anzupacken.
Wie bleibst du mit uns verbunden?
Als Aktionär werde ich natürlich die Zahlen und Performance verfolgen, aber an der Generalversammlung werde ich nicht mehr als Protokollführer fungieren müssen (lacht). Als Vater eines Sohnes in der Maturaabteilung werde ich weiterhin erfahren, was läuft, wie die Schule, die Betreuung und bspw. das ECA-Angebot weiterentwickelt werden. In meinem Kalender ist der Termin des nächsten Eishockeyturniers mit Cambridge und Oxford schon eingetragen, die vielen Freundschaften bleiben sicher bestehen und meine Frau und ich bleiben Stammgäste im Zuoz Globe. Kurz: Ich bleibe mit dem Lyceum verbunden!
Roman Grossrieder im Interview mit Anna Bott, im Januar 2024